Schweizer Energiepolitik
Gesetzliche Grundlagen wie Energieartikel, Energiegesetz, COâ‚‚-Gesetz, Kernenergiegesetz und Stromversorgungsgesetz sind wichtige Instrumente für die Gestaltung der schweizerischen Energiepolitik. Dazu entwickeln Bundesrat und Parlament Energieperspektiven sowie entsprechende Strategien und Umsetzungsprogramme. Das Volk kann bei der Gestaltung der Energiepolitik an der Urne mitreden.
Hohe energiepolitische Anforderungen
Erst 1990 wurde die Energiepolitik im Energieartikel 89 Abs.1 der schweizerischen Bundesverfassung verankert: «Bund und Kantone setzen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch ein.»
Bund und Kantone sorgen also mit geeigneten Rahmenbedingungen dafür, dass die Energiewirtschaft die Energieversorgung im Gesamtinteresse optimal erfüllen kann. Wie diese Rahmenbedingung und Ziele aussehen sollen und was «optimal» bedeutet, ist ein ständiges Aushandeln und Abwiegen zwischen der Stromwirtschaft und dem Bund.
Schwierige Prognosen für die Energiezukunft
Jede Energiestrategie beruht auf Annahmen und Prognosen für die Entwicklung der Energielandschaft Schweiz. Langfristige Prognosen sind aber stets mit grossen Unsicherheiten verbunden und können sich innert Jahresfrist ändern. Die untenstehende Grafik zeigt die Bandbreite der möglichen Szenarien am Beispiel der Stromverbrauchsentwicklung. Die Prognose des BFE zur Entwicklung «Weiter wie bisher» des Jahres 2012 ist wesentlich tiefer als noch im Vorjahr.
Diese Unsicherheiten zeigen: Nur wenn sich die Schweiz sämtliche Optionen für die Stromversorgung offen hält, kann sie bei Bedarf flexibel auf veränderte Anforderungen seitens Verbraucher und Wirtschaft reagieren.
Konsequente Energiepolitik vor Fukushima
Bis im Frühjahr 2011 war der energiepolitische Weg der Schweiz klar: Die grossen Schweizer Stromversorgungsunternehmen hatten im Jahr 2010 drei Rahmenbewilligungsgesuche für den Bau von Kernkraftwerken eingereicht. Moderne Reaktoren sollten zu gegebener Zeit die Anlagen Mühleberg, Beznau-1 und -2 sowie die auslaufenden Atomstromlieferverträge mit Frankreich ersetzen. Die Stromversorger wollten damit eine langfristig bewährte Versorgungsstrategie fortsetzen, die auf Wasserkraft, Kernenergie und einem wachsenden Anteil neuer erneuerbarer Energie aus Wind, Sonne und Biomasse beruhte. So stimmte die Bevölkerung des Kantons Bern im Februar 2011 an der Urne dem Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg durch ein neues Kernkraftwerk zu.
Der Bundesrat hatte sich schon 2007 klar für den Bau neuer Kernkraftwerke ausgesprochen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, die Klimaziele zu erreichen und die gesamte Energieversorgung nachhaltiger zu entwickeln, setzte er auf eine Viersäulenstrategie. Sie beruhte auf Energieeffizienz, erneuerbaren Energien, Grosskraftwerken (Kernkraftwerke oder Gaskraftwerke) und internationalem Stromhandel. Als Übergangslösung bis zur Fertigstellung neuer Kernkraftwerke waren Gaskraftwerke angedacht, die vollständige COâ‚‚-Kompensation vorausgesetzt.
Linksumkehrt: Die Energiestrategie 2050
Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima änderte der Bundesrat jedoch den energiepolitischen Kurs. Er beschloss am 25. Mai 2011, die bestehenden Kernkraftwerke am Ende ihrer Betriebsdauer nicht durch neue zu ersetzen. Stattdessen setzte er auf grosse Energieeinsparungen und-effizienz, den Ausbau der Wasserkraft und eine starke Förderung der neuen erneuerbaren Energien. Bis 2035 soll der Gesamtenergieverbrauch der Schweiz um 43 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 sinken, der Stromverbrauch um 13 Prozent. Dazu soll die Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien von heute gut 2 Terawattstunden auf 14,5 Terawattstunden steigen – also um knapp ein Viertel des heutigen Schweizer Stromverbrauchs oder etwas weniger als die Hälfte der heutigen nuklearen Produktion. Fossile Stromproduktion (Wärmekraftkopplungsanlagen, Gaskombikraftwerke) und Importe sollen den fehlenden Atomstrom ersetzen. Zugleich soll aber im selben Zeitraum der Ausstoss von Treibhausgasen um mehr als die Hälfte unter das Niveau von 1990 sinken.
2013 hatte der Bundesrat die «Energiestrategie 2050» vorgelegt. 2017 stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung der Umsetzung eines ersten Massnahmenpakets dieser Strategie zu. Dazu gehört das Verbot neuer Kernkraftwerke in der Schweiz. Dies, nachdem die Stimmberechtigten ein halbes Jahr zuvor die Atomausstiegsinitiative abgelehnt und sich für den Betrieb der Kernkraftwerke, solange sie sicher sind, ausgesprochen hatte. Zudem wurden schärfere Massnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen sowie der deutliche Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz beschlossen. Mit der anstehenden Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes sollen diese Massnahmen noch zielgerichteter ausgestaltet werden. Die Energieperspektiven 2050+ bilden dafür eine wichtige Grundlage.
Details und weitere Dokumente zur Energiestrategie 2050 finden Sie hier beim Bund.
Klimapolitik ist auch Energiepolitik
Die Zusammensetzung des Strommix hat grossen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen eines Landes. Dank Wasserkraft und Kernenergie kann sich die Schweiz einer im internationalen Vergleich sehr klimafreundlichen Stromversorgung rühmen. Ein Ausbau der neuen erneuerbaren Energien wird diese Bilanz nicht verbessern. Sollten jedoch, was sehr wahrscheinlich ist, auch Wärmekraftkopplungsanlagen und Gaskraftwerke benötigt werden, um die Produktion der heutigen Kernkraftwerke zu ersetzen, würde dies die COâ‚‚-Bilanz der Schweiz massgeblich verschlechtern und die Schweizer Klimaschutzziele torpedieren.
Würde man die heutige Jahresproduktion der Kernkraftwerke (rund 25 TWh) mit modernen Gaskombikraftwerken erzeugen, so würden diese rund zwölf Millionen Tonnen COâ‚‚ ausstossen. Das würde die heutigen Schweizer Emissionen um deutlich mehr als 20 Prozent erhöhen, anstatt sie wie geplant massiv zu senken. Diese Treibhausgase gemäss COâ‚‚-Gesetz zu kompensieren, wäre kostspielig und praktisch kaum umsetzbar.
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